Warum Spiele in der psychologischen Beratung so wertvoll sind
- Luana Cuzzucoli
- 4. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Hast du schon einmal daran gedacht, dass Spiele mehr sein können als nur eine Möglichkeit, die Zeit zu vertreiben? In der psychologischen Beratung können Spiele eine ganz besondere Rolle spielen. Sie bieten nicht nur eine lockere Atmosphäre, sondern helfen auch, tiefere Gefühle zu erkunden, soziale Fähigkeiten zu entwickeln und gerade neurodivergente Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen.

Warum sind Spiele so hilfreich in der Beratung?
Spiele sind eine grossartige Möglichkeit, junge Menschen zu erreichen, die Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen oder Gedanken auszudrücken. Besonders in der Beratung bieten sie viele Vorteile:
Gefühle leichter ausdrücken: Manchmal fällt es uns schwer, über unsere Gefühle zu sprechen. Spiele helfen, Emotionen auf eine natürliche und weniger belastende Weise zu erkennen und auszudrücken.
Mehr Motivation: Beratungsgespräche können sich anstrengend anfühlen, aber wenn wir etwas spielen, wirkt es weniger wie „Arbeit“ und mehr wie ein lockeres, lustiges Gespräch.
Vertrauen aufbauen: Gemeinsames Spielen schafft eine Verbindung. Es erleichtert den Austausch, fördert das Vertrauen und hilft, eine tiefere Beziehung aufzubauen.
Exekutivfunktionen stärken: Spiele, die Planen, Problemlösen und das Treffen von Entscheidungen erfordern, unterstützen wichtige kognitive Fähigkeiten wie Selbstregulation und Impulskontrolle.
Wie genau können Spiele in der Beratung eingesetzt werden?
Spiele sind vielseitig und können in vielen verschiedenen Bereichen der Beratung helfen:
Soziale Fähigkeiten verbessern: Beim Spielen üben wir auf ganz natürliche Weise, wie man kommuniziert, zusammenarbeitet und empathisch auf andere reagiert.
Selbstreflexion fördern: Manche Spiele regen uns dazu an, über uns selbst nachzudenken – was wir fühlen, was uns beschäftigt oder was wir vielleicht ändern möchten.
Neue Verhaltensweisen ausprobieren: Rollenspiele oder kreatives Spielen bieten den Raum, neue Verhaltensweisen auszuprobieren und sicher zu experimentieren.
Stress abbauen und Achtsamkeit üben: Besonders entspannende oder meditative Spiele können helfen, den Kopf freizubekommen und Stress abzubauen.
Exekutivfunktionen trainieren: Spiele, die strategisches Denken oder die Lösung von Herausforderungen erfordern, verbessern unsere Fähigkeit, zu planen und schwierige Situationen zu meistern.
Was bedeutet das für neurodivergente junge Menschen?
Neurodivergente junge Menschen, wie diejenigen mit Autismus, ADHS oder Hochsensibilität, können besonders von spielerischen Methoden profitieren. Hier einige Beispiele, wie Spiele gezielt eingesetzt werden:
Autismus: Strukturierte und regelbasierte Spiele bieten Sicherheit und fördern die sozialen Fähigkeiten, indem sie klare Erwartungen setzen und Interaktionen anregen.
ADHS: Schnelle und abwechslungsreiche Spiele können helfen, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und Impulse besser zu kontrollieren.
Hochsensibilität: Ruhige, erzählerische oder weniger hektische Spiele unterstützen bei der Stressbewältigung und helfen, sich selbst zu beruhigen.
Spiele für Menschen mit Lernstörungen
Auch Menschen mit Lernstörungen können von Spielen enorm profitieren:
Legasthenie: Spiele mit visuellen und auditiven Elementen können das Erkennen und Verarbeiten von Buchstaben und Wörtern fördern. Sie helfen, die Lesefähigkeit zu verbessern und das Selbstvertrauen zu stärken.
Dyskalkulie: Mathematische Lernspiele, die spielerisch Konzepte wie Zahlen, Addition oder Subtraktion vermitteln, können den Umgang mit Zahlen vereinfachen und das Verständnis für Mathematik steigern.
Lern- und Gedächtnisstörungen: Gedächtnistraining und kognitive Spiele, die Konzentration und Merkfähigkeit ansprechen, unterstützen das Gedächtnis und fördern die kognitive Flexibilität. Sie können helfen, die Lernfähigkeit zu verbessern und Frustration zu reduzieren.

Spieltherapie und kreative Ansätze
In der Spieltherapie geht es darum, das Spiel als Werkzeug zu nutzen, um emotionale und psychische Prozesse zu fördern. Besonders in der Gestalttherapie wird mit kreativen Methoden gearbeitet, um Klient:innen dabei zu unterstützen, ihre inneren Konflikte und Gefühle im Hier und Jetzt zu erleben und zu bearbeiten. Es geht darum, im Moment zu sein und sich bewusst zu machen, was gerade passiert.
Ein besonders wirkungsvoller Ansatz ist die Spieltherapie von Alfons Aichinger. Diese Methode nutzt symbolische Spiele, um vor allem Kindern und Jugendlichen zu helfen, schwierige Emotionen oder Erfahrungen spielerisch zu verarbeiten. Das Ziel ist es, durch das Spiel neue Perspektiven zu entwickeln und Lösungswege zu finden – ganz ohne Druck und in einem sicheren Raum.

IKP und Spiele in der psychologischen Beratung
Die Integrative Körperpsychotherapie (IKP) versteht den Menschen als eine Einheit von Körper, Geist und Seele. In der psychologischen Beratung nach dem IKP-Verständnis ist es besonders wichtig, die körperlichen und emotionalen Erfahrungen zu integrieren. Spiele können hier als wirksames Werkzeug dienen, da sie nicht nur kognitive Prozesse ansprechen, sondern auch den Körper und die Emotionen aktiv einbeziehen.
Spiele ermöglichen es, auch nonverbal und über den Körper zu kommunizieren. In der IKP wird viel Wert auf die Wahrnehmung von Körperempfindungen gelegt. Beim Spielen können Klient:innen ihre körperlichen Reaktionen erleben und reflektieren. Das fördert ein besseres Verständnis für die eigenen Gefühle und hilft, Blockaden oder unbewusste Muster zu erkennen. Hier kommen vor allem auch bewegungsorientierte Spiele oder Rollenspiele ins Spiel, die den Körper aktiv einbeziehen und dabei helfen, Spannungen zu lösen und emotionale Prozesse zu bearbeiten.
Fazit
Spiele bieten in der psychologischen Beratung nicht nur eine Möglichkeit, die Stimmung zu lockern, sondern sind auch ein wertvolles Instrument, um tiefere Themen zu bearbeiten und neue Verhaltensweisen zu entwickeln. Sie helfen, Gefühle auszudrücken, soziale Fähigkeiten zu fördern, und unterstützen besonders neurodivergente Menschen auf eine spielerische und entspannte Weise. Ganz gleich, ob es darum geht, emotionale Blockaden zu überwinden, die Konzentration zu fördern oder einfach die Beziehung zwischen Klient:in und Berater:in zu stärken – Spiele sind ein wertvolles Werkzeug, das den Beratungsprozess bereichern kann.
Quellen
Lechner, T. (2023). Spiel und soziale Entwicklung: Die Wirkung von Spielen in der psychologischen Beratung. Journal für Psychologie und Beratung, 58(4), 34-47.
Zoerner, P., Müller, H., & Fischer, M. (2021). Autismus und Spielen: Die Auswirkungen von interaktiven Spielen auf soziale Interaktionen. Autism Research Journal, 16(2), 89-103.
Brunner, L., Schmidt, E., & Braun, J. (2022). Spiele in der Therapie von ADHS und Autismus: Ein Ansatz zur Verbesserung der sozialen und emotionalen Fähigkeiten. Journal of Child and Adolescent Therapy, 10(1), 15-28.
Zoerner, P. (2020). Digitale Lernspiele und ihre Auswirkungen auf Motivation und Aufmerksamkeit. Education & Psychology, 45(3), 122-135.
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